Inselmenschen: Mats von Amrum

Titelbild vom Interview "Inselmenschen – Mats von Amrum"

In der Interviewserie „Inselmenschen“ treffen wir Insulaner auf der ganzen Welt und stellen ihnen dieselben fünf Fragen. Heute gewährt uns Mats von der Insel Amrum einen kleinen Einblick in sein Inselleben.

Wenn man auf Amrum wissen möchte, wann die nächste Fähre auf das Festland fährt, ob es morgen einen Sonderbus zur Schiffabfahrt gibt oder wer mit wem in welchem Haus wohnt, dann fragt man ganz selbstverständlich Mats. Denn Mats kennt die Insel und die Insel kennt Mats. Sein ganzes Leben lang hat Mats auf der Nordseeinsel Amrum gewohnt. Erst in Wittdün und seit ein paar Jahren in Süddorf. Dort vermisst er den abendlichen Kontrollgang über den Fähranleger, genießt aber die Ruhe. Obwohl mit der Ruhe ist es gerade auch erstmal etwas vorbei, denn vor acht Wochen ist Mats zum ersten Mal Vater geworden. Wenn Mats nicht gerade in Elternzeit ist, pendelt er zwischen den Inseln Amrum und Föhr und arbeitet als Postzusteller. Und wer ihn kennt, der weiß, dass das wie die Faust aufs Auge passt.

#01 Wie geht es dir heute?

Mir geht es gut. Ich bin ja noch in Elternzeit, die Nacht war aber ruhig. Das Wetter ist heute sehr gut, obwohl wir noch März haben, ist es schon sehr warm und die Sonne scheint. Bis jetzt habe ich heute einmal meine kleine Tochter gefüttert, dann habe ich gefrühstückt und später werde ich noch ein wenig Gartenarbeit machen und vielleicht noch eine Runde mit der kleinen Jette spazieren gehen.

#02 Du lebst auf einer Insel. Wie ist es dazu gekommen?

Das ist durch meine Geburt gekommen, da bin ich sozusagen nicht zu gefragt worden. Ich bin allerdings nicht auf der Insel Amrum geboren worden, sondern auf der Nachbarinsel Föhr, da es auf Amrum kein Krankenhaus gibt. Heutzutage werden aber gar keine Kinder mehr auf den Inseln geboren, da es auf den Nordfriesischen Inseln keine Kreißsäle mehr gibt. Meine Tochter kam zum Beispiel in Flensburg auf die Welt.

Abgesehen von kleinen Phasen während meiner Berufsschulzeit und arbeitsbedingten Einsätzen von der Post auf Föhr habe ich immer auf Amrum gelebt. Was aber nicht heißt, dass ich nicht gerne auf Reisen gehe. Gerade habe ich ein paar Wochen bei meinen Schwiegereltern im Grenzort Süderlügum gewohnt, um auf die Geburt meiner Tochter zu warten. Und ja, man kann auch auf dem Festland wohnen, aber ich würde es doch vorziehen, auf einer Insel zu wohnen. Wenn nicht Amrum, dann würden insbesondere die Nachbarinsel Föhr oder auch das nahe nordfriesische Festland als Wohnort infrage kommen. Also nicht unbedingt Hamburg oder Berlin.

#03 Was magst du an deinem Inselleben am meisten? Und was am wenigsten?

Der größte Vorteil damit, auf einer Insel zu leben, ist die schöne Natur, der Strand im Sommer und dass man jeden Tag baden kann. Aber auch, dass man die Leute kennt, die Tür offenlassen kann und nicht abschließen muss, was man ja auf dem Festland so nicht mehr machen kann. Dann ist es schön, dass die Kinder sich auf der Insel recht frei bewegen können im Vergleich zur Stadt.

Nachteil ist vielleicht, dass man immer ein wenig eingeschränkt und beobachtet ist. Es kann beispielsweise während der Schulzeit manchmal schwierig sein, die richtigen Freunde zu finden, denn die Auswahlmöglichkeiten sind beschränkt. Hier auf der Insel gibt es nicht so viele Alternativen und auch nur eine Schule. Und so muss man sich hier auf den Inseln auch irgendwie zusammenraufen. Selbst Leute, die sich nicht mögen, laufen sich immer wieder über den Weg. Gerade bei einer Größe, wie die Insel Amrum sie hat, lässt es sich nicht vermeiden, dass sich die Wege ständig kreuzen und man entweder geschäftlich, familiär oder auf eine andere Art und Weise miteinander verbunden ist. Das sieht auf den Nachbarinseln Föhr und Sylt mit mehr Einwohnern schon ein wenig anders aus, da verläuft es sich mehr.

#04 Wenn Du eine Sache auf deiner Insel verändern dürftest: Was wäre das?

Oh weia, das ist mein Lieblingsthema, da fallen mir gleich mehrere wichtige Punkte ein.

Politisch wäre es schön, wenn Amrum mal an einem Strang ziehen könnte und eine Gemeinde werden würde. Wir leisten uns hier auf unserer kleinen Insel mit 2000 Einwohnern immer noch drei Gemeinden mit eigenen Bürgermeistern und Gemeindevertretern. Schon mein Vater hat seit den Siebzigerjahren für eine Gemeinde Amrum plädiert, aber es gibt viele Widerstände und viel Angst vor Veränderungen in den Gemeindevertretungen. Ich glaube jedoch, aufgrund der vielen Gespräche, die ich geführt habe, dass die Mehrheit der Bevölkerung einen Zusammenschluss der Gemeinden unterstützen würde.

Strukturell gesehen würde ich mir noch wünschen, dass mehr Urlauber ihr Auto auf dem Festland stehen lassen würden. Gerade durch Corona haben noch mehr Gäste ihr Auto mit auf die Insel genommen und das erhöhte Verkehrsaufkommen hat dann auch schon für kritische Töne gesorgt. Einige Urlauber meinen schon, dass man dann doch besser auf die autofreien Ostfriesischen Inseln fahren sollte. Man kann und sollte den Autoverkehr auf Amrum nicht untersagen, aber man könnte es attraktiver machen, das Auto auf dem Festland stehen zu lassen. Die Parkplätze in Dagebüll könnten billiger oder vielleicht sogar umsonst sein, es könnte einen Gepäckdienst zu den Inseln geben und vielleicht könnte sogar der Busverkehr auf Amrum kostenlos sein. Man sollte sich auf jeden Fall mehr Gedanken machen, wie man mit verschiedenen Maßnahmen und ohne Verbote den Verkehr auf der Insel reduzieren könnte. Ich verstehe, dass man aus Bequemlichkeitsgründen gerne das Auto mit nach Amrum nimmt, aber wer schon mal im Sommer morgens in Wittdün in der Inselstraße war, sieht ganz deutlich, dass die Kapazitäten da langsam gesprengt werden: Die Straße ist zu eng, die Autos werden immer zahlreicher und größer und es gibt viele Konflikte mit Radfahrern und Fußgängern.

Und natürlich gibt es noch mehr Probleme: Ich habe großes Glück, dass ich hier in meinem Haus wohne. Aber viele Freunde und Bekannte wohnen auch mit Familien in engen Wohnungen und feuchten Kellern zu überteuerten Preisen. Also ist es wichtig, dass es hier vernünftige Wohnungen für Insulaner gibt. Viele Zweitwohnsitze auf der Insel werden nicht mehr vermietet und stehen fast ganzjährig leer. Das ist nicht die Schuld der Zweitwohnungsbesitzer, die Fehler wurden in der Politik gemacht, da wurde nicht rechtzeitig dagegen gesteuert. Die Konsequenz daraus ist, dass es hier bald einen Arbeitskraftmangel auf der Insel gibt. Die Gastronomie kämpft schon lange, qualifiziertes Personal zu finden. Und jetzt kommen noch andere Bereiche dazu, beispielsweise werden aktuell ganz dringend Busfahrer gesucht. Das Problem wird sich zukünftig noch verschärfen, da man nach Amrum nicht so einfach wie nach Sylt oder auch nach Föhr pendeln kann. Jetzt müssen die Gemeinden und die Arbeitgeber zusammen Verantwortung übernehmen. Sonst müssen sich die Gäste hier irgendwann selbst bedienen.

#05 Und zum Schluss noch: Was empfiehlst du allen, einmal auf deiner Insel getan zu haben?

Der Kniepsand ist ja natürlich das Amrumer Kronjuwel, den muss man gesehen haben. Hier kann man wunderbar baden, ich mach das von Juni bis September fast täglich. Der Kniepsand reicht ja vom Süden in Wittdün bis nach Norddorf hoch. In Wittdün ist der Strand zwei Kilometer breit, da muss man schon ein bisschen fit sein, um an die Wasserkante zu kommen. Wenn man nicht so gut zu Fuß ist, kann man sehr gut in Nebel an den Strand gehen, da führt ein schöner Bohlenweg hinaus. Am besten sollte man sich auf Amrum mit dem Fahrrad bewegen, denn die Entfernungen sind nie weit. Dann kann man auch andere schöne Plätze wie die Vogelkoje, die Nordspitze, den Wriakhörnsee und natürlich den einmaligen Inselwald entdecken. Das Friesendorf Nebel ist mit seinen malerischen Gassen wunderschön, aber ich möchte auch eine Lanze für Wittdün brechen. Wittdün wird ja oft als „hässlich“ bezeichnet, aber ich finde den Ort sehr schön, vor allem im Sommer. Dann kann man hier tolle Abendspaziergänge auf der Promenade machen und auf die Halligen blicken. Und dann gibt es in Wittdün natürlich die Kneipe „Blaue Maus“ – die gehört bei einem Amrum-Besuch einfach dazu. Wer Whiskey mag, ist hier sehr gut aufgehoben. Es gibt über 300 Sorten im Angebot und der Wirt Janni kennt sich bestens aus. Aber auch das Essen schmeckt in der „Maus“ richtig lecker.

Interview vom März 2022.

Weitere Interviews aus der Serie „Inselmenschen“ gibt es hier:

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2 Kommentare zu „Inselmenschen: Mats von Amrum

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